Bürgerbeteiligung
Große Demo – Demokratie gerettet?
07.03.2024/ Ja, wir in Sankt Augustin haben unsere Pflicht als Demokraten getan: Wir haben machtvoll für Demokratie und Menschenrechte demonstriert und uns gegen völkischen Rassismus und Diskriminierung gestellt. Reicht das? Reicht es, bewiesen zu haben, dass wir das Herz auf dem richtigen (nicht auf dem “rechten“) Fleck haben?
Nein, es reicht nicht. Wir waren, seit Putin es im Deutschen Bundestag gesagt hat, zu beseelt von der Idee, der Kalte Krieg sei vorbei, und wir müssten jetzt nur noch den “Klima-Krieg“ gewinnen. Falsch: Wir müssen den Kampf gegen die Unmenschlichkeit gewinnen, die im rechtsextremen Gedankengut steckt – oft gut versteckt unter ursprünglich positiv besetzten Begriffen.
Wir haben Rechtstaatlichkeit und Demokratie für selbstverständlich gehalten, haben manche sprachliche und gedankliche Entgleisung in den “sozialen Medien“ oder auch im privaten und im beruflichen Umfeld durchgehen lassen, und wir haben vielleicht auch mal gern über dies und jenes aus Bequemlichkeit weggesehen.
Dabei müssen wir eigentlich hellwach sein, genau hinhören, kritisch wägen, mutig widersprechen und beherzt zurechtweisen – auch und gerade im Freundeskreis und im beruflichen Umfeld. Denn allzu leicht wird ein unverdächtiges Wort mit einer neuen Bedeutung aufgeladen – gut zu sehen am Beispiel des Wortes “Gutmensch“, also guter Mensch, das zum Schimpfwort umgebogen worden ist. So ist auch ganz allmählich der Begriff “kulturelle Bereicherung“ mit den Bedeutungen “Kopftuchmädchen“ und “Messermänner“ unterlegt und damit ins Negative verkehrt worden.
So etwas ist nur möglich geworden, indem das eigentlich Unsagbare doch gesagt wurde, meistens gefolgt von einer Beteuerung, dass es ja ganz anders gemeint gewesen sei.
Es ist die ständige Wiederholung des Unsagbaren, wodurch eine gedankliche Grenzverschiebung nach Rechtsaußen schleichend in unsere Köpfe implantiert wird. Deshalb müssen wir auch unsere eigenen Gedanken und unsere eigene Sprache hinterfragen und aufpassen, dass wir uns nicht an solche Aussagen gewöhnen, dass sie nicht zu Alltagssprache werden. Denn Sprache schafft Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit gestalten wir mit – indem wir entweder passiv bleiben, was keine Option sein darf, oder politisch aktiv werden, was ein demokratisches und humanitäres Muss ist.
Es darf nicht zugelassen werden, dass alles, was wir in den vergangenen Jahren in Sachen Integration und Inklusion geschafft haben, von denen zerstört wird, die uns heute erneut mit Demokratiefeindlichkeit, Rassismus, Fremdenhass, und Angriffen auf die Rechtstaatlichkeit konfrontieren. Deshalb müssen wir für Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde einstehen. Deshalb müssen wir zu den Wahlurnen gehen und unsere Stimme für eine der Parteien oder Wählergemeinschaften aus dem demokratischen Spektrum abgeben.
Der alte Spruch “Wer seine Stimme abgibt, hat nichts mehr zu sagen“ war noch nie so falsch wie heute. Wahr ist: Nur wer seine Stimme bei demokratischen Wahlen abgibt, trifft damit eine Aussage für Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Menschenwürde.
Wahr ist auch: Wir müssen uns jeden Tag im Alltag als Demokraten und als aufrechte Menschen beweisen.
Gute Information – erfolgreiche Bürger-Mitwirkung
16.6.2020/ In diesem Beitrag geht es um die formalisierten Mitwirkungsmöglichkeiten. Der erste Schritt dazu ist, gut unterrichtet zu sein. Gut, dass die Stadt ist verpflichtet ist, ihre Einwohner*innen “über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde“ zu unterrichten (§ 23 Gemeindeordnung NRW = GemO NRW). “Bei wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die unmittelbar raum- oder entwicklungsbedeutsam sind oder das wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Wohl ihrer Einwohner nachhaltig berühren, sollen die Einwohner möglichst frühzeitig über die Grundlagen sowie Ziele, Zwecke und Auswirkungen unterrichtet werden.“ Dazu nutzt die Stadt Pressemitteilungen, u.U. Anzeigen, Einwohnerversammlungen und ihr Amtsblatt; dieses kann in E-Mail-Form abonniert werden. Bei Bauleitplan-Verfahren (Flächennutzungsplan, Bebauungspläne) ist die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Möglichkeit, zu raumwirksamen Plänen der Stadt eine Stellungnahme abzugeben, gesetzlich sehr formalisiert vorgeschrieben (Baugesetzbuch). Aber die Einwohner*innen müssen gar nicht warten, bis die Stadt eine Gelegenheit zur Einwirkung bietet; sie können auch selbst die Initiative ergreifen. Das geht mit Hilfe des § 24 der GemO NRW, der besagt, dass sich jeder mit Anregungen und Beschwerden an den Bürgermeister wenden kann. Ein schärferes Schwert ist der Einwohner-Antrag gemäß § 25 GemO NRW. Mit diesem Instrument können sie den Rat zwingen, über ein von ihnen formuliertes Thema zu beraten. Das kostet allerdings einige Mühe, weil das formulierte Anliegen Unterstützungsunterschriften benötigt, und zwar 5 % der Einwohner*innen, maximal 4.000, die mindestens 14 Jahre alt sein müssen. Aber auch wenn der Rat einmal einen unfassbaren Beschluss gefasst hat, sind die Bürger*innen diesem nicht wehrlos ausgeliefert. Denn in einem solchen Fall kann die Bürgerschaft den § 26 GemO NRW zücken (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid). Damit kann ein schon gefasster Beschluss wieder rückgängig gemacht werden (siehe „Nein zu Cross-Border-Leasing“). – Zum Schluss: Was nicht verschwiegen werden darf, ist die Tatsache, dass über manche Dinge weder der Rat noch die Bürger*innen / Einwohner*innen eine Entscheidung treffen dürfen. Das sind die “Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung“ (Beispiel: Straßenverkehrsordnung). Die Weisung ist das Gesetz, und zur Erfüllung der Aufgaben berufen ist die Verwaltung. Da kann der Stadtrat keine Anweisungen erteilen, sondern nur Anregungen geben und freundliche Bitten äußern.
Mitwirkung durch Zukunfts-Werkstatt
Bürger*innen-Beteiligung Teil 7
2.6.2020/ Das Instrument Zukunftswerkstatt kann sich sowohl eine weiter gestreckte allgemeiner gefasste Perspektive zur Aufgabe machen als auch ein räumlich eng umrissenes konkretes Problem versuchen einer Lösung zuzuführen. Im erstgenannten Fall könnte die Fragestellung lauten: Was soll aus unserer Stadt werden? Welche Funktionen soll sie in Zukunft abdecken? Soll sie wachsen oder eher räumlich schrumpfen? Im engeren Sinne verstanden kann die Zukunftswerkstatt sich einer bestimmten Problemstellung widmen. Beispiel: Wie können wir die Attraktivität des ursprünglichen Kerns von Niederpleis als Wohnplatz, als Ort der Nahversorgung und als Standort wohnungsnaher Arbeitsstätten steigern? Und wie können wir die Verkehrserschließung so verbessern und die Verkehrsbelastung so verringern, dass immer mehr Menschen mit immer weniger eigenen Autos auskommen, so dass die Lärm- und Gas-Immissionen sinken und die Qualität der Luft sich verbessert?
Wie funktioniert eine Zukunftswerkstatt? Klassischerweise werden entweder nach dem Zufallsprinzip Menschen aus der von der Planung betroffenen Gruppierung ausgewählt, die gleichberechtigt miteinander beraten. Oder man wählt die Vertreter verschiedener gesellschaftlich bedeutsamer Gruppen repräsentativ aus, so dass sich jeder gesellschaftliche Sektor in dieser Gruppe vertreten sehen kann. Heutzutage bietet sich allerdings – das haben wir aus den Corona-Zwängen gelernt – noch eine weitere interessante Arbeitsform an: eine moderierte digitale Ideenschmiede im virtuellen Raum. Die Digitalisierung hat schon gezeigt, dass man sich im digitalisierten Dialog bzw. im virtuellen Diskussionsraum meist knapper, prägnanter, manchmal frecher (im besten Sinne) und unter Umständen kreativer äußert, weil man sich nicht von den Blicken aller fixiert und seine Äußerungen taxiert fühlt.
Hier liegen noch Chancen für die Zukunft, die das Potenzial haben, das Mosern und die Unzufriedenheit über das, was “die da oben“ entscheiden, in positive Bahnen zu lenken.
Mitwirkung durch Perspektiven-Werkstatt
Bürger*innen-Beteiligung Teil 6
13.5.2020/ Infrastruktur-Projekte sind heute kaum noch erfolgversprechend zu Ende zu bringen ohne eine früh beginnende und intensive Beteiligung der Öffentlichkeit. Diese Meinung wird von Organisationen vertreten, die Bürger-Mitwirkung nach vorn bringen wollen, aber auch von erfahrenen Planern in Planungsgesellschaften und in Verwaltungen und natürlich von uns, dem Aufbruch!. Dennoch muss Mitwirkung auch von der gesamten Gesellschaft gelebt und immer wieder von den von Planungen Betroffenen eingefordert werden. Obwohl: Für einige Bereiche gibt es sogar gesetzliche Verpflichtungen, zur Mitwirkung einzuladen. Davon in einer späteren Folge mehr.
Allerdings ergeben sich konkrete Planungen aus einem langen perspektivischen Vorlauf, der Jahre vorher beginnt. So leiten sich in Sankt Augustin viele der aktuell laufenden Planungsprozesse aus dem “Stadtentwicklungskonzept 2025“ (STEK 2025) ab, das um die Jahrtausendwende begonnen, nach intensiver Beteiligung der Öffentlichkeit im Jahr 2003 beschlossen wurde und den Zeitraum bis 2025 abdeckt. Es macht eine Perspektive für die Entwicklung der Stadt auf, die in den nachfolgenden Jahren an einigen Stellen konkretisiert worden ist – Beispiele: Neu-Aufstellung des Flächennutzungsplanes, “Masterplan Urbane Mitte“, später übergeleitet in das “ISEK“ (Integriertes Stadt-Entwicklungskonzept Zentrum). Das Stadtentwicklungskonzept 2025 kann man guten Gewissens als eine Perspektiven-Werkstatt bezeichnen. Denn es wurde in einem für jedermann offenen Forum entwickelt, wofür zunächst sachliche Grundlagen von Fachleuten erarbeitet wurden. Diese wurden mit der Öffentlichkeit, den Vertretern der Politik und der Verwaltung diskutiert. Der Diskussionsprozess wurde von mehr oder weniger neutralen Moderatoren begleitet und strukturiert und schließlich zu einem Ergebnis verschriftlicht, eben dem STEK 2025. Da Stadtentwicklung aber ein dynamischer Prozess ist, ist das STEK auch nicht auf ewig festgeschrieben. Stattdessen muss es immer wieder angepackt, überprüft und fortgeschrieben werden. Und bei erkennbar großem Anpassungsbedarf muss die Perspektiven-Werkstatt nochmal ran.
Bürger-Gutachten (Planungszelle)
Bürger*innen-Beteiligung Teil 5
20.4.2020/ Schon 2018 fand sich im Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD die Fragestellung, “ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der
Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann und soll.“ Ein solches Element kann z. B. in der Kommune die Form sein, die als Bürger-Gutachten oder auch als Planungszelle bezeichnet
wird. Dazu müssen klare Festlegungen vorab getroffen werden:
- wie die Teilnehmenden ausgewählt werden (repräsentativer Querschnitt oder Zufallsauswahl),
- wie genau der Auftrag / die Fragestellung lautet,
- wie mit dem Ergebnis verfahren werden soll.
Vorstellbar ist folgender Ablauf:
1) An der Planung eines Teilbereiches eines Stadtteils sollen die Einwohner intensiv beteiligt werden. Begonnen wird mit einer großen Runde, in der von Fachleuten eine Einführung in allgemein für die Problemstellung wichtige Gegebenheiten und in die fachlichen Rahmenbedingungen gegeben wird. Fragen zu diesen allgemeinen Aspekten und zum gesamten Ablauf werden von den Fachleuten beantwortet.
2) In großer Runde werden die zu bearbeitenden Teil-Aspekte der Planung festgelegt. Jeder Teil-Aspekt wird einem der Gruppentische zugeordnet, deren Teilnehmer ausgelost werden. Jeder Gruppentisch bestimmt selbständig einen Moderator und einen Berichterstatter.
3) Es folgt eine erste moderierte Erarbeitungsphase. Nach einer vorher festgelegten Dauer der Erarbeitungsphase wechselt jede Gruppe mit ihrem Moderator an einen anderen Tisch und widmet sich dem Thema dieses Tisches. Jeder Tisch hat einen Berichterstatter, der die Arbeitsergebnisse der wechselnden Tischbesetzungen festhält, sie ordnet, verdichtet und zusammenzuführen versucht, um sie am Ende der großen Runde vorzustellen.
4) Gemeinsam wird in der großen Runde besprochen, ob alles Erarbeitete richtig erfasst worden ist und ob sich ein von allen oder zumindest einer überwältigenden Mehrheit getragenes Ergebnis formulieren lässt.
5) Ein auf so breiter Basis entstandenes Arbeitsergebnis kann dann den politischen Gremien als Bürger-Gutachten im Sinne eines Ratschlages – allerdings ohne rechtliche Bindewirkung - vorgelegt werden, damit es bei den Beratungen im zuständigen Fachausschuss des Rates berücksichtigt werden kann.
[verfasst in Anlehnung an <Fachforum Bürgerbeteiligung> beim Gemeindekongress 2014 des Städte- und Gemeindebundes NRW und an die Broschüre <Der Bürgerrat> des Vereins Mehr Demokratie e. V.]
Von Planungszellen bis Bürger-Haushalt
Bürger*innen-Beteiligung Teil 4
17.4.2020/ Bevor ich es über all den informellen Instrumenten der Mitwirkung ganz vergesse: Am 13. September ist Kommunalwahl, wo Stadtrat und Bürgermeister neu gewählt werden – für fünf Jahre übrigens. Ja, und gerade in Corona-Zeiten bietet es sich an, für sich selbst, aber auch für die gewählten Vertreter im Rat, Rückschau zu halten. Was haben meine gewählten Vertreter im Stadtrat in den letzten Jahren getan, und was hätten sie tun können? Und wofür habe ich selbst mich interessiert und wofür engagiert oder wofür interessieren und engagieren können?
Jetzt aber zu den in dieser Folge zu besprechenden Instrumenten der Mitwirkung: Am konkretesten ist die Mitwirkung an der Erstellung des städtischen Haushaltes greifbar. Denn darin geht es um Zahlen und Aufgaben, das heißt einerseits um Einnahmen (“Erträge“ genannt) der Stadt aus Schlüsselzuweisungen und Fördermitteln des Landes sowie aus Steuern und Gebühren. Andererseits stehen die Zahlen für Ausgaben (“Aufwendungen“ genannt) für die Aufgaben, die die Stadt zu bewältigen hat. Über das, was an Aufgaben Vorrang genießen soll und in welchem Umfang und welcher Qualität etwas ausgeführt werden soll, können und sollen auch die Bürgerinnen und Bürger mitreden. “Bürgerhaushalt“ nennt man dann einen solchen Haushalt.
Erfunden und erstmalig durchgeführt wurde dieses Beteiligungsinstrument im Jahr 1989 in Porto Alegre (Brasilien) und wird seitdem dort mit großem Aufwand angewendet. Deutsches Kommunalrecht lässt zwar die dortige umfassende Form der Mitbestimmung über den Haushalt nicht zu, stattdessen aber die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Anregungen zu geben. Manche Stadträte definieren auch einen eng umgrenzten Teilbereich des Haushaltes, über den die Bürgerschaft komplett selbst beraten und beschließen darf, und machen dann diesen Beschluss zum Bestandteil des Ratsbeschlusses über die Haushaltssatzung. [Quelle für den letzten Absatz: https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerhaushalt#Deutschland ]
Planungszellen, Bürgergutachten, Runden Tisch, Perspektivenwerkstatt und Zukunftskonferenz sind Themen des / der nächsten Textes / Kapitel.
Mitwirkung durch Gut-Informiert-Sein
Bürger*innen-Beteiligung Teil 3
6.4.2020/ Im voraufgegangenen Text habe ich darauf hingewiesen, dass die Basis aller Mitwirkung die gute Informiertheit ist, dass die Stadt zwar gegenüber den Einwohner*innen eine
Informationspflicht (Einwohner*innen-Versammlungen) hat, dass man aber auch selbst etwas für das Informiert-Sein tun muss. Dazu können die Einwohnerfragestunden im Rat (§ 48 Gemeindeordnung NRW) und
in den Ausschüssen (§ 14a der Geschäftsordnung des Rates) genutzt werden. Dieses Gut-Informiert-Sein ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Bürger*innen überhaupt eine Chance haben, dann ihre
Mitwirkung und ihre Interessenlagen zum Ausdruck und zur Geltung zu bringen, wenn noch keine wesentlichen oder gar unumstößlichen Weichenstellungen erfolgt sind.
Zur Gewinnung von Information kann – Achtung: jetzt wird es allmählich formaler – der Blick in den städtischen Haushaltsplan eine gute Quelle sein, solange er noch ein Entwurf ist. Darin sind
natürlich die „Produktbereiche“ von besonderem Interesse, die unmittelbaren Einfluss (finanziell oder anderweitig) auf die Brieftasche der Bürger*innen haben – Beispiele: Bau, Unterhaltung und
Erneuerung der Straßen; Gebühren für Musikschule, Kulturveranstaltungen; Kita- und OGS-Gebühren; Flächennutzungsplan und Bebauungspläne. Auf der Grundlage der gewonnenen Informationen können Aktionen
entwickelt werden. Beispiele: Fragen zum Haushalt oder Anregungen zu Änderungen des Haushaltes oder Einwendungen gegen den Entwurf der Haushaltssatzung oder Einwendungen gegen die vom Rat
beschlossene Haushaltssatzung (§ 79 Gemeindeordnung NRW). Tatsächlich gibt es einen ganzen Strauß von Mitwirkungs-Möglichkeiten, auch wieder solche, die weniger formal geregelt sind und solche, die
durch Gesetze strikt geregelt sind.
Hier sollen ein paar davon nur benannt werden. Erläutert werden sie in der nächsten Folge: 1) Planungszellen, 2) Runde Tische, 3) Perspektivenwerkstätten, 4) Zukunftskonferenzen, 5)
Bürgerhaushalt.
Mitwirkung ohne große Formalien
Bürger-Beteiligung Teil 2
1.4.2020/ Wir haben den Einführungs-Text mit der Unterscheidung in informelle und stark formalisierte Mitwirkungsmöglichkeiten beendet. Zusätzlich muss eigentlich auch unterschieden werden in schwach wirkende und stark wirkende Möglichkeiten. Wir befassen uns zunächst mit den informellen und gehen dort von den schwa-chen Instrumenten zu den stärker wirkenden.
Am wichtigsten für alle Mitwirkungsinstrumente ist das Gut-Informiert-Sein. Dafür bieten sich die Tageszeitung, die kostenfreien Wochenblättchen, das Amtsblatt der Stadt (kann man abonnieren) an, aber auch ein Blick auf die Tagesordnungen der Ausschüsse, die man sich auf der Homepage der Stadt holen kann. Im Übrigen gilt: Rat und Verwaltung haben gegenüber den Bürger*innen eine Informationspflicht (§ 23 Gemeindeordnung NRW), und zudem haben Bürger*innen ein individuelles Informationsrecht gemäß Informationsfreiheitsgesetz NRW (InfFrGes).
Wie geht man mit einer Sache um, die einen angeht und beschwert? Konkrete Information dazu gibt es bei der/dem zuständigen Mitarbeiter*in. Dafür muss man sich manchmal ein wenig durchfragen, beginnend mit einem Anruf bei der Telefonzentrale der Stadtverwaltung – alternativ: in einem der Fraktionsbüros nachfragen oder/und das zuständige Ratsmitglied ansprechen.
Man sollte auch schauen, ob man mit seinem Anliegen alleine ist oder ob auch andere Menschen betroffen sind. Das lässt sich mit einem Leserbrief austesten oder mit einem Aushang mit Abreiß-Streifen, um eine Kontaktmöglichkeit anzubieten. Mit Hilfe eines Flugblattes oder dem klassischen Klinkenputzen kann man Verbündete finden für eine Unterschriftensammlung, eine Demo vor dem Rathaus, eine vielköpfige Präsenz in Ausschuss- und Ratssitzungen. Übrigens: Bis auf ganz wenige Tagesordnungspunkte sind alle Rats- und Ausschuss-Sitzungen öffentlich. Sitzungstermine und -orte findet man auf der Homepage der Stadt.
Bürger-Beteiligung
Eine systematische Betrachtung
23.3.2020/ Es geschieht in den Städten und Gemeinden immer häufiger, dass Bürger*innen gegen Verwaltungsakte oder Ratsentscheidungen aufbegehren und eine Änderung herbeiführen wollen. Oft genug werden sie enttäuscht, weil ihre Intervention nicht zum gewünschten Erfolg führt. Das liegt manchmal daran, dass sie den Hebel an der falschen Stelle angesetzt haben, den formal falschen Weg wählen oder einfach zu spät dran sind. Manchmal begehren sie auch gegen etwas auf, an dem weder Rat noch Verwaltung etwas ändern können, weil es schlicht und ergreifend nach Gesetzeslage so geschehen muss.
Das ist für die Bürger*innen äußerst schade und überhaupt unter dem Aspekt einer lebendigen lokalen Demokratie sehr unbefriedigend. Denn die Beteiligung der Bürger*innen ist eine sinnvolle und wünschenswerte Ergänzung für unser repräsentatives System der kommunalen Demokratie. Dass solches Mit-Tun auch eine Bereicherung für das Tun von Rat und Verwaltung darstellt, wird allein schon durch die an vielen Orten gemachte Erfahrung gestützt, dass Entscheidungen immer dann zu nachhaltigen Ergebnissen und größerer allgemeiner Zufriedenheit führen, wenn die Bürger*innen intensiv in den Entstehungsprozess einer Entscheidung eingebunden wurden.
Genau diese Mitwirkung zu fördern, hat sich der Aufbruch! von seiner "Geburtsstunde" an auf die Fahnen geschrieben - mehr noch: der Wille zur Ausübung der Mitbestimmung an einer entscheidend wichtigen Stelle im politischen Geschehen der Stadt (Vereitelung des "Cross-Border-Geschäftes") war der Zündfunke für die Entstehung des Aufbruch!
Das "Cross-Border-Leasing-Geschäft" (Verkauf der Kanalisation und der Kläranlage der Stadt an amerikanische Investoren) wurde mit aktiver Unterstützung von fast 3.000 Bürger*innen verhindert. Allein das lehrt uns, dass es sich lohnt, sich mit den Mitwirkungsmöglichkeiten genauer zu befassen und sie dann gezielt nutzen zu können. Das wollen wir in einer lockeren Reihe von Artikeln tun. Wir werden dabei sehen, dass es formalisierte und ganz informelle Beteiligungsmöglichkeiten gibt.
Mit mir nicht!
Was tun bei einer größeren Beschwernis?
5.11.2015/ Was kann man tun, wenn man von einem größeren Problem beschwert ist und eine einfache Mitteilung an die Stadtverwaltung nicht weiter hilft? Wenn einem die Demo vor dem Rathaus zu krawallig ist und einem die Gründung einer Bürger-Initiative zu dick aufgetragen erscheint. Wie denn sonst? Das Gesetz hält dafür ein gutes Instrument bereit: § 24 der Gemeindeordnung NRW. Der Paragraph sagt aus, dass sich jede/r in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft mit Anregungen und Beschwerden an den Rat wenden kann. Der Stadtrat muss dann über die vorgelegte Angelegenheit beraten und eine Entscheidung treffen. Im Einzelnen geht das wie folgt: Man adressiert sein entsprechendes Schreiben an den Bürgermeister und gibt am Anfang als Betreff an "Beschwerde / Anregung gemäß § 24 Gemeindeordnung NRW". Dann schildert man ganz sachlich, was einen beschwert, also das Problem, und beschließt sein Schreiben mit der Formel "Ich bitte um Abhilfe für meine Beschwerde." Der Bürgermeister stellt die Sache dann im Unterausschuss für Bürgerangelegenheiten zur Tagesordnung und benachrichtigt den Beschwerdeführenden, wann die entsprechende Sitzung des Unterausschusses stattfindet, damit dieser auch der Sitzung beiwohnen und eventuell nochmals zur Sache befragt werden kann. Oft wird das Problem schon beseitigt, bevor der Unterausschuss tagt. Wenn aber nicht, dann fasst der Unterausschuss einen Beschluss, mit dem der Bürgermeister beauftragt wird, das Problem aus der Welt zu schaffen. Aber manchmal sind die Probleme für die Behandlung nach § 24 zu groß, und dann muss ein stärkeres Geschütz aufgefahren werden.
Wie können die Menschen in Sankt Augustin ihre Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte wahrnehmen?
Gemäß unserem demokratisch verfassten Kommunalrecht (Gemeindeordnung NRW, kurz: GO NRW) stehen den EinwohnerInnen einer Kommune (Stadt) eine Anzahl von Instrumenten zur politischen Teilhabe und Mitwirkung zur Verfügung. Nachfolgend werden diese Instrumente benannt und erläutert - aus systematischen Gründen auch die allen geläufigen:
- Teilnahme an Wahlen (Stadtrat alle fünf Jahre, Bürgermeister alle sechs Jahre). Der Bürgermeister wird in Urwahl, d. h. unmittelbar von den Wahlberechtigten (alle Bürger ab 16 Jahre) gewählt. Für den Stadtrat werden 50 Ratsmitglieder in einem zweigleisigen Verfahren gewählt, 25 direkt und 25 indirekt: Die 25 direkt gewählten Ratsmit-glieder sind diejenigen, die in ihrem jeweiligen Wahlbezirk die Mehrheit der Stimmen erhalten haben. Weitere 25 Ratssitze werden aus den "Reservelisten" der Parteien bzw. Wählergemeinschaften so besetzt, dass jede Partei / jede Wählergemeinschaft insgesamt so viele Ratssitze bekommt, wie ihnen nach ihrem prozentualem Erfolg im gesamten Stadtgebiet zustehen. Vereinfachte Formel für eine "Partei XY": Zahl der nach gewonnen Prozenten zustehenden Sitze, abzüglich direkt gewonnener Sitze = Zahl der Sitze, die aus der Reserveliste zu besetzen sind. Als Faustformel kann man für Sankt Augustin annehmen, dass für jeden Sitz im Rat zwei Prozent der insgesamt im Stadtgebiet abgegebenen gültigen Stimmen nötig sind. Dem entsprechend hat der Aufbruch! durch seinen vierprozentigen Stimmenanteil im Rat zwei Sitze.
- Kritische Kontrolle der Gewählten: Alle Ratssitzungen und alle Sitzungen der Ausschüsse des Rates (wo der größte Teil der politischen Arbeit stattfindet) sind grundsätzlich öffentlich und können ohne Voranmeldung besucht werden. Nur wenige Dinge, die einem Vertrauensschutz unterliegen, werden in einem nicht öffentlichen Sitzungsteil behandelt. Anhand des Verhaltens in den Sitzungen kann man die Wahlversprechen mit der gelebten Realität vergleichen. Berichte in Zeitungen, Radio und TV geben dies nur in unvollkommener Weise her.
- Information einholen: Alle Einwohner der Stadt haben das Recht, Fragen im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Rates vom Bürgermeister beantwortet zu bekommen (Einwohnerfragestunde gemäß § 14a der Geschäftsordnung des Rates). Fragen müssen mindestens drei Tage vor dem Sitzungstag schriftlich vorliegen.
- Hinweise geben: Ratsmitglieder, Bürgermeister und Verwaltung nehmen gern Hinweise auf Missstände und Verbesserungsmöglichkeiten entgegen.
- Anliegen vorbringen: Mit einem Anliegen kann man sich an die Person wenden, die den Wahlbezirk bei der letzten Wahl gewonnen hat. Stattdessen kann man sich an die Ratsfraktion seines Vertrauens oder an alle Ratsfraktionen wenden.
- Anregungen und Beschwerden (Petitionen): Alle Menschen (keine Altersbegrenzung, keine Beschränkung auf Sankt Augustiner) haben gemäß § 24 der GO NRW "das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat [...] zu wenden. Dazu ist ein Brief an den Bürgermeister zu richten, der im Betreff "Anregung / Beschwerde gem. § 24 GO NRW" ausweist. Die Anregung / Beschwerde wird dann im Unterausschuss für Bürgerangelegenheiten behandelt.
- Anregungen und Einwände zu Bebauungsplänen: Im Bebauungsplan-Verfahren ist an mehreren Stellen den Einwohnern verpflichtend die Möglichkeit zu gewähren, innerhalb einer bekannt gemachten Frist ihre Anregungen / Einwände zum entstehenden Bebauungsplan vorzubringen. Diese können schriftlich eingereicht oder einem dafür zuständigen Bediensteten der Stadt mündlich zu Protokoll gegeben werden. Die Stadt muss auf diese Möglichkeit und auf die diesbezüglichen Fristen in ihren amtlichen Veröffentlichungen hinweisen.
- Einwohnerantrag gem. § 25 GO NRW: Einwohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können beantragen, dass der Stadtrat sich mit einer bestimmten Angelegenheit befasst und über die Angelegenheit entscheidet. Der Einwohnerantrag muss von mindestens 5 % der Einwohner, die 14 Jahre und älter sind, unterzeichnet werden - in Sankt Augustin von ca. 2.500 Einwohnern.
- Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gem. § 26 GO NRW: Durch ein Bürgerbegehren können Bürger beantragen, dass sie selbst statt des Rates in einem Bürgerentscheid über eine Angelegenheit entscheiden. Sie können dadurch den Rat quasi überstimmen, indem sie durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid eine schon getroffene Ratsentscheidung revidieren. Ein Bürgerbegehren muss in Sankt Augustin von 6 % der (ca. 45.000 wahlberechtigten) Bürger unterzeichnet sein, also von ca. 2.500 Bürgern. Weist der Rat das Begehren ab, muss ein Bürgerentscheid durchgeführt werden, bei dem alle Wahlberechtigten stimmberechtigt sind.
- Bürgerhaushalt: Auch jetzt schon können die Einwohner der Stadt sich an den Beratungen zum städtischen Haushalt beteiligen - allerdings nicht in organisierter Weise - indem sie in den Haushaltsentwurf Einblick nehmen und gegenüber dem Bürgermeister oder / und den Ratsfraktionen ihre Vorschläge zu Sparmöglichkeiten, zu Verschiebungen und zur Erhöhung der Mittel für bestimmte Bereiche vorschlagen. Der Aufbruch! strebt eine systematische Einbeziehung der Einwohner an, den Bürgerhaushalt. Wie das geht, erklären wir hier.